Internationaler Museumstag Dresden (am vergangenen Wochenende!)

Begonnen von Cornelius, Mai 14, 2013, 00:16:33 VORMITTAG

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Drakiem

Hallo Cornelius

vorweg bevor ich meine Meinung hier niederschreibe: Ich möchte niemanden beleidigen oder ähnliches sondern einfach meine Meinung darlegen, besonders im Zusammenhang zur Rekonstruktion von Techniken und zur Erhaltung von Kulturgut / Geschichte.

Wenn ich es Richtig verstanden habe ist es das Ziel des Vereins die Erhaltung und Erforschung von Fechtkunst. (Auch wenn in der Satzung steht das es um den Kinder-Jugend und Breitensport geht)
Zur Erforschung gehören Techniken und Training, diese können sicherlich in "moderner" Trainingskleidung gemacht werden. Aber es ist ein Unterschied diese auch im entsprechender historischer Kampfkleidung auszuführen.
Ich bin der Meinung das man genau diese Forschung nur mit entsprechender Kleidung(ich rede erstmal nicht von Gewandung) durchführen kann.

Ich bringe hier mal ein modernes Beispiel die Schießlehre wird beginnend ohne entsprechende Schutzkleidung erlernt und gefestigt mit entsprechender Schutzkleidung.

Es ist ein Unterschied eine Technik mit vollem Schutz zu trainieren und auszuführen. Da zum Beispiel mit Topfhelm die sicht wesentlich stärker eingeschränkt ist als mit einer Fechtmaske. Ebenso die Bewegungsfreiheit in Gambeson/Kettenhemd oder später in Plattenrüstung.

Und auch der Zuschauer erkennt die Unterschiede zwischen Gewandsäufer und einem Verein/Gruppe der historischen Fechtkampf betreibt. Es liegt einfach daran wie man sich darstellt und vor allem wie man die Erklärungen darbietet.

Zudem muss ich auch sagen das die Fechtkunst / Schwertkampf historisch gesehen nicht als Sport betrieben wurden. Ziel waren die Verteidigung und leider auch der Angriff. Und man kann sicherlich eine Abgrenzung machen es muss ja niemand gezwungen werden auf Märkte oder andere Veranstaltungen zu gehen, aber es ist gerade da in meinen Augen wichtig gute "Kämpfer" zu sehen und wissen weiter zutragen.

Und bzgl. deiner Abgrenzung es gibt auf fast allen Märkten interessiertes Publikum, die Wissen aufnehmen sich gerne etwas erklären lassen und gerade Kinder-Jugendliche freuen sich darüber.
Ein Mini-Workshop auf einem Markt wird meistens angenommen und dafür kann man auch Larpwaffen/ Waster nutzen.

Aso und ich denke Museen freuen sich über technisch versiertes und entsprechend gekleidete Kämpfer für Vorführungen. Da muss es unter umständen nicht zwangsweise der Harnisch sein. Da dieser sicherlich die Ausnahme als die Regel war, aufgrund des damals immensen Anschaffungspreis(Im Vergleich dazu könnte man heute damit ohne Probleme ein schönes Haus samt Gründstück bezahlen).

Grüße D.

Cornelius

Moin,

das mit der Kleidung ist leider nicht ganz so einfach. Dass solche Dinge einen Einfluss auf die Fechttechniken haben, ist nicht zu bestreiten. Allerdings reden wir hier nicht vom Kaliber Gambeson und Ringpanzer (wobei ich die schlagenden Beweise für diese Kombination als Standard noch sehen möchte), denn dafür (konkret) gibt es keine Fechtbücher. Das ist einer der Punkte, an dem historische Fechter und VKler gern mal aneinander vorbeireden: Die meisten v.a. mittelalterlichen Disziplinen werden in den Quellen bloß gefochten, also ohne Rüstung. Das Spielfeld der VKler ist ganz woanders. Wo aber ist nun der gravierende Unterschied zwischen modernen Sportklamotten und Beinlingen plus Cota aus Wolle? Wenn es dagegen ans Harnischfechten geht, wo die Bewegung tatsächlich von der Rüstung abhängt, frage ich mich, wie ich so etwas bis ans "Eingemachte" trainieren will, wenn diese Techniken doch gerade eine Umgehung der Rüstung zum Inhalt haben. Das ist übrigens einer der Punkte, den ich VKlern gern vorhalte, wenn sie behaupten, "wie früher" zu fechten: Auf gerüstete Stellen zu schlagen ist wohl kaum kampfkünstlerisch sinnvoll und die Quellen legen da eben andere Sachen nahe (Stiche in Achsel, Gesicht, Hoden, Knaufschläge, Ringen etc.). Das wiederum kommt auch beim Battle of Nations kaum vor, wenn es nicht sogar untersagt ist. Bei Schuhen dagegen bin ich sehr dafür, deren Einfluss nicht zu unterschätzen. Mit der Beinarbeit steht und fällt die ganze Fechterei und wenn ich mich so hektisch bewege, dass mich nur eine Gummisohle auf Linoleumfußboden vorm Ausrutschen bewahrt, muss ich tatsächlich annehmen, dass ich es hier mit einer unauthentischen Situation zu tun habe. Soviel zum Thema Rekonstruktion mit passendem Material. Die Vorführung ist dann noch ein anderes Thema, aber dazu habe ich mich schon geäußert.*

Dass das Fechten früher "nicht als Sport betrieben" worden sei, lässt sich problemlos widerlegen. Wir haben schon in den frühesten Quellen vom Fechten "zu schimpf" (im Gegensatz zu "zu ernst") die Rede und einige der späteren Fechtbücher werden – aber da scheiden sich noch die Geister – mitunter völlig in einen Schul- und Leibesübungskontext gestellt. Selbst das I.33, das älteste bekannte Fechtbuch, enthält ein System, das zwar durchaus als ernsthafte Kampfkunst zu interpretieren ist, gleichzeitig aber auch ein Geschicklichkeitsspiel mit Möglichkeiten ist, den Gegner zu besiegen, ohne ihn dabei ernsthaft zu verletzen. Die Popularität von Schwert und Buckler, auch beim Adel (die Abbildungen im Codex Manesse sind nur ein Beispiel) und Klerus (die englische Enzyklopädie "Omne Bonum" enthält einen Artikel zu den Waffen der Kleriker), bestätigt die Existenz einer nichtmilitärischen Fechtkultur, die mangels offensichtlicher Tötungsabsichten auch als zumindest teilweise "sportlich" bezeichnet werden muss.

Wenn man übrigens mit der "Bewahrung von Kulturgut" auf den Fahnen daherkommen will, sollte man sich beim Sportfechten umsehen. Zu behaupten, man hätte zu einer Kampfkunst von vor siebenhundert Jahren noch soviel Bezug, dass man sie "erhalten" könne, ist liebevoll betrachtet naiv und vom wissenschaftlichen Standpunkt her weitgehend unhaltbar (wie auch die meisten "völkischen" Ansätze). Ich persönlich rekonstruiere etwas, versuche es in seinem eigenen Kontext zu verstehen und nachzuempfinden, aber ich werde mich hüten, die rekonstruierten Inhalte übermäßig in mein Selbstbild zu integrieren. Die Tätigkeit der Rekonstruktion dagegen durchaus, so arrogant bin ich.  :P

*Nur der Vollständigkeit halber: Ich betreibe historische Darstellung ebenso als Hobby (vielleicht gerade nicht so zeitintensiv, aber mit moderat-nazimäßigem Authentizitätsgedanken), genauso wie ich gerade den Kampf mit dem Dreiecksschild aufarbeiten will, der den Abbildungen nach durchaus auf einem gewissen Niveau existiert hat und sogar etwas anders, als es ein durchschnittlicher HoMi-Reenactor heute versucht. Aber auch da muss man den Kampfkunstaspekt im Kopf haben; Stiche zum Gesicht können also z.B. nicht ausgeblendet werden usw.

Drakiem

Hi Cornelius,

bzgl. deiner Standards Gambeson/Kettenhemd(ich nutze aus persönlichen Gründen die andere Bezeichnung nicht) hat hier keiner von Standards geredet und das es keine wirklichen Aufzeichnungen bzgl. Fechtbücher gibt ist nicht verwunderlich, da die Aufzeichnungen allgemein gesehen eher spärlich sind.
Ich verstehe deine Ansichten, auch wenn ich da eine andere Meinung zu vertrete auch was BON betrifft.

Und die Kulturgutgeschichte können wir gerne bei einer Cola/Bier... besprechen, weil genau dazu will hier nicht das Forum volltrollen.

Und was Sport betrifft und Kampf sry das gibs nicht sondern ist eine moderne Erfindung, keine Kampfart wurde entwickelt um Spass daran zu haben, sondern zum Zwecke der Verteidigung bzw. zum Angriff.
Und wer das nicht akzeptiert ist wirklich NAIV.

Aber wie schon geschrieben kann man sowas gerne persönlich besprechen.

Grüße

Conscript

Dann bin ich mal naiv und würde mich zunächst für Belege deiner beiden Thesen interessen.

Zitat von: Drakiem in Mai 22, 2013, 23:43:03 NACHMITTAGS
das es keine wirklichen Aufzeichnungen bzgl. Fechtbücher gibt ist nicht verwunderlich, da die Aufzeichnungen allgemein gesehen eher spärlich sind.

Wie definierst du eine "spärliche" Anzahl von Aufzeichungen? Bezogen auf die Fundlage würde ich dir in Anbetracht des haltbarkeitsbedingten "Fehlens" bestimmter Nachweise Recht geben. Aber die Quellenlage an historischen Text- und Bildmaterial (Fechtbücher, Manuskripte, Kirchenbücher, Chroniken, Grabplatten, Säulen, etc. pp) aus dem Hoch- und Spätmittelalter als "spärlich" zu bezeichen, halte ich für gewagt. Was ist hier die Grundlage deiner Einschätzung?

Zitat von: Drakiem in Mai 22, 2013, 23:43:03 NACHMITTAGS
Und was Sport betrifft und Kampf sry das gibs nicht sondern ist eine moderne Erfindung, keine Kampfart wurde entwickelt um Spass daran zu haben, sondern zum Zwecke der Verteidigung bzw. zum Angriff.
Und wer das nicht akzeptiert ist wirklich NAIV.
Auch hier würden mich die entsprechende Grundlage dieser Annahme interessieren. Die von Cornelius angeführten Verweise auf das Fechten "zu schimpf" und "zu ernst" (inkl. der Unterscheidung von geselligem Ringen und Kriegsringen) widersprechen dieser Annahme.
Hinzu kommen noch zahlreiche andere Formen "sportlichen" Kampfes wie beispielsweise:
- Ringen und Speerwerfen als Teil des Fünfkampfes der antiken Olympische Spiele
- Kampf mit stumpfen oder hölzernen Waffen in den Vorkämpfen der Gladiatoren
- das "Schul halten" der Fechtzünfte (z.B. bei Feierlichkeiten in Dresden 1614)
- Das sätmittelalterliche Fechten mit stumpfen Waffen vor Publikum (Klopffechten)
- auch die "Gefährlichkeit" mittelalterlicher Turnierform ist in der Nachbetrachtung oft Ansichtssache
- Das Aufkommen des Bare-knuckle-Boxing im England des 17. Jahrhunderts (der frühere Fechtmeister James Frigg wird 1719 erster Schwergewichtsmeister Englands und ist Teil der International Boxing Hall of Fame)

PS: Interessant sind auch die Ergebnisse einer forensischen Analyse der Gebeine von Gladiatoren von Kanz und Grossschmidt, die im Gegensatz zu Gewaltopfern des Mittelalters wenige perimortale und viele antemortale Vorletzungen aufweisen, was die Autoren als Indiz für die doch strenge sportliche Regelhaftigkeit der Kämpfe ansehen.
Kanz, Fabian/ Grossschmidt, Karl (2006): Head injuries of Roman gladiators. Forensic Science International 160: 2, S. 207-216.

Der Streit um "ernsten" und "sportlichen" Kampf ist teilweise auch eine Scheindebatte, da ein "geselliges miteinander" und "kriegerisches gegeneinander" nicht immer zwei unvereinbare Gegensätze sind und waren. Auch im Ernstfall notwendige lethale Kampftechniken müssen regelmäßig ("on a daily basis") auf eine nicht-lethale Weise erlernt, verinnerlicht und erhalten werden. Natürlich ist das alles andere als "nur zum Spaß", aber es ist trotzdem im Rahmen von Ausbildung und regelmäßigem Üben gewisser Weise "gesellig" bzw. "versportlicht".

Cornelius

Stimmt, den ganzen Rest hatte ich gestern Abend gar nicht mehr auf dem Schirm...aber ich werde ja auch alt...
Zitat von: Drakiem in Mai 22, 2013, 23:43:03 NACHMITTAGS
bzgl. deiner Standards Gambeson/Kettenhemd(ich nutze aus persönlichen Gründen die andere Bezeichnung nicht) hat hier keiner von Standards geredet [...]
Ich wollte das Thema auch nur kurz anreißen, da es mMn so ein Szeneselbstläufer ist. Ganz verkürzt: Die Belege für eindeutig abgesteppte Textilkleidung unter Ringpanzern sind spärlich und kommen teilw. aus Turniersituationen; viel häufiger sind dagegen recht eindeutige Darstellungen von "nur" einfacher Wollkleidung darunter. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Rüstung vor allem am Leben erhalten und nicht Schmerzen verhindern sollte (und man zudem durch Beweglichkeit, höhere Ausdauer und einen Schild und Waffe geschützt ist), ist so ein Schutz vor offenen Wunden, wie ihn der Ringpanzer ermöglicht, durchaus ausreichend. Moderne Regelwerke mit eingeschränkten Trefferzonen verzerren das Fechten natürlich wieder.
Zitatund das es keine wirklichen Aufzeichnungen bzgl. Fechtbücher gibt ist nicht verwunderlich, da die Aufzeichnungen allgemein gesehen eher spärlich sind.
Wir haben bis 1500 knapp 100 erhaltene Fechtbücher, wenn ich mich nicht irre, und nur ein Bruchteil behandelt Harnisch- und Rossfechten (interessanter Weise scheint die älteste, die Hs. 3227a aus Nürnberg, das lange Schwert mit zwei Händen am Griff gefasst noch als harnischtauglich zu betrachten; vermutlich hängt das mit den damals noch nicht kompletten Plattenpanzern zusammen und der schon zuvor entwickelten zweihändigen Fechtweise mit dem Dreiecksschild). Wenn sich Bücher mit Krieg und Schlachten im größeren Rahmen befassen, dann sind es Strategiewerke. Das lässt vermuten, dass es einen guten Grund gab, das Fechten auf dem Schlachtfeld trotz seiner Bedeutsamkeit nicht weiter zu würdigen. Ich vermute, dass das Training durch das andere, dokumentierte Fechten ausreichte und die Faktoren auf dem Feld dann zu zahlreich waren, als dass man sich in vernünftigem Rahmen hätte dazu äußern können.
ZitatIch verstehe deine Ansichten, auch wenn ich da eine andere Meinung zu vertrete auch was BON betrifft.

Und die Kulturgutgeschichte können wir gerne bei einer Cola/Bier... besprechen, weil genau dazu will hier nicht das Forum volltrollen.
Mir reicht Wasser; wir haben am 08.06. eine Sporthalle in Chemnitz und da bisher kaum jemand der umliegenden Fechtvereine Zeit hat, ist noch viel Raum für Palaver und Experimente. Dreiecksschild wäre auch dabei, kannst gern mal vorbeikommen (bzw. müssen wir da noch sehen, wie wir das gliedern).

Aber zumindest hätten wir die Frage zur Sinnigkeit von Vorführungen in historischer Klamotte einigermaßen gründlich problematisiert.

Captain

Zitat von: Cornelius in Mai 22, 2013, 19:40:14 NACHMITTAGSDabei könnte man ja einfach akzeptieren, dass es alles verschiedene Ansätze mit ihrer jeweiligen Berechtigung sind und solange niemand zu Schaden kommt und einigermaßen geklärt ist, wer was macht und was (nicht) dazugehört, wäre das alles ein friedliches Miteinander.
Da sagste was. In der Realität landet man mit solchen Ansichten aber schnell bei quixoteschen Windmühlenkämpfen. Ging und geht mir jedenfalls so.

Zitat von: Drakiem in Mai 22, 2013, 21:49:31 NACHMITTAGSZudem muss ich auch sagen das die Fechtkunst / Schwertkampf historisch gesehen nicht als Sport betrieben wurden.
Da gibts aber klare Gegenbelege. Klar sind die Techniken ursprünglich zum lethalen Einsatz entwickelt. Und man kann den spätmittelalterlichen bürgerlichen Fechtschulen wie den Freifechtern o.ä. versuchen zu attestieren, daß sie auf Ernstfall und auf Gerichtskämpfe vorbereitet haben, ohne daß man dabei in große Nöte kommt. Aber dieses bürgerliche Fechten hatte ganz sicher auch typisch sportliche Aspekte. Die Fechtfedern die dafür belegt sind auf einer ganzen Reihe von Abbildungen sind ein überdeutliches Indiz dafür.
Conscript hat das in seinem letzten Absatz mMn sehr treffend ausgedrückt.

Zitat von: Cornelius in Mai 22, 2013, 22:38:15 NACHMITTAGS...denn dafür (konkret) gibt es keine Fechtbücher.
Naja, die Verschriftlichung ist eben erst zu einer Zeit entstanden, als der Ringpanzer als Rüstung weitgehend abgelöst war. Ist also kein Wunder, daß es keine Quellen dafür gibt. Ich würde zwar jetzt einwerfen, daß die Techniken per se älter sind als die Handschriften (Beispiele für erste Langschwerter datieren locker 150 Jahre früher als Cod 3227a), aber da sind wir natürlich im Bereich der Interpretation.
Spielertyp nach Robin D. Laws: Storyteller 100%, Method Actor 92%, Tactician 75%, Specialist 50%, Butt-Kicker 50%, Casual Gamer 12%, Power Gamer 0%
NSC-Code: LE+MP-ST-FF0KO+!AG+IN0RR-!AT/PA+!EP0GP0PSI-MTF0PAIN-HdR-I

Conscript

#21
Zitat von: Cornelius in Mai 23, 2013, 07:53:13 VORMITTAGAber zumindest hätten wir die Frage zur Sinnigkeit von Vorführungen in historischer Klamotte einigermaßen gründlich problematisiert.

Das ist richtig so. Eigentlich hast du zentrale Punkte in Post #14 genannt. Ich wollte nur noch kurz etwas ergänzen, da ja aus irgendeinem Grund gerade mein Bild aus dem "Witzige Dinge" Thread für die Diskussion herhalten musste. Dieses Bild ist natürlich nicht ohne Grund im entsprechenden "witzigen" Thread gelandet und als solches ist es im Rahmen einer humorvollen Verkürzung natürlich übertrieben, stereotypisiert und wenn man will auch polemisch.

Man kann Marktveranstaltung natürlich nicht über einen Kamm scheren, da sie sich wie alle Veranstaltung auch qualitativ sehr unterscheiden. Märkte sind nicht ja per se "Gewandungssaufen" oder "Faschingsveranstaltungen". Was mich persönlich z.B. oft stört ist die Verquickung von "historisch" mit "mittelalterlich". Nicht alles was älter als die eigene Großmutter ist, stammt aus dem Mittelalter nur weil es das Label "alt" trägt und nicht umsonst gibt es jene, die ihre Märkte bewusst "historischen Markt" und nicht "Mittelaltermarkt" nennen, was oft eine ehrlichere Produktbeschreibung wäre. Die historische Qualität hängt sowohl von den Vorstellungen bzw. Zielstellungen des Veranstalters ab, was er mit seinem Markt genau erreichen will und natürlich von der historischen Genauigkeit der von ihm engagierten Darstellern, Kämpfern, Händlern und Gastronomen. Beides variiert eben sehr stark von Veranstaltung zu Veranstaltung. Das sich beides verbinden lässt, zeigen die hier bereits genannten Beispiel des Vorführens von hist. Fechtern auf solchen Veranstaltungen. Das muss der Veranstalter aber zum einen Wollen und zum anderen muss die Gruppe in der Lage sein, die Thematik verständlich und interessant zu kommunizieren. Auf den meisten Märkten, die ich bisher besuchte, hätte ich mir eine solche Vorführung nicht als zum Markt passend vorstellen können. Mittlerweile besuche ich auch kaum noch solche Märkte, da ich sie mittlerweile als ziemlichen Einheitsbrei empfinde, wo man sets nahezu das gleiche Programm mit den ewig gleichen Gruppen und Händlern geboten bekommt, da es sich ja (zumindest oft regional) auch meist um den selben Veranstalter handelt. Zumindest der Besuch der selben möglicherweise sehr gut gemachten Veranstaltung im Folgejahr bietet dann ebenso wenig Abwechlung.

Ob eine Gruppe oder eine Person solche Vorführungen macht, hängt eben von deren Prioritäten und personellen, materiellen und zeitlichen Ressourcen ab. Es gibt eben Gruppen, die sich komplett auf das Reenactmant des Alltagslebens einer Epoche konzentrieren und dabei den kämpferischen Aspekt komplett weglassen bzw. nur am Rande behandeln, jene deren Reenactment im kriegerischen bzw. militärischen Rahmen ihrer Epoche verortet ist und die Verwendung passender Utensilien und Kleidungsstücke mit der Rekonstruktion von (!Gruppen-)Kampftechniken und -taktiken verbinden sowie jene, die ihre Zeit primär der Interpretation und Rekonstruktion historischer (!Duell-)Fechttechniken widmen und dabei das eigentliche Reenactment weglassen. Natürlich gibt es auch zahlreiche Mischformen. Auch für das hist. Fechten ist es m.E. sinnvoll sich mit den Grenzen und Möglichkeit historischer Kleidung oder mit der gesellschaftlichen Stellung der Referenzgruppen (klerikales Fechten im I.33, bürgerliches, richterlichen und adeliges Fechten) oder mit der gesellschaftlichen und kulturellen Rolle von "Gewalt" im Kontext der entsprechenden Zeit zu beschäftigen.
Jedoch werden nur die wenigsten genug Geld, Zeit, Logistik, Material und interessierte Personen besitzen, um die "eierlegende Wollmilchsau" unter den Reenactmentvereinen aufzubauen. Alle anderen müssen ihre meist spärliche Freizeit auf einen bestimmten Aspekt beschränken. Welcher das ist, ist eine Frage des gemeinsamen Interesses. Man kann es jemanden von außerhalb m.E. nicht vorhalten, wenn er sich auf die technische Rekonstruktion von Fechtmanuskripten, auf experimentellen Linienkampf oder einzig auf ein bestimmtes Handwerk konzentriert. Das "wie" (Qualität des Ganzes oder best. Fehler) kann dabei durchaus extern kritisiert und diskutiert werden, aber "ob" und "was" jemand mit seiner Freizeit tut (z.B. Fechtrekonstruktionen auf einem Markt zeigen), kann man ihm/ihr von außen nicht vorschreiben. Ich habe die Vermutung, dass man beim Versuch möglichst alles zu machen am Ende in allen Bereichen ungenauer arbeitet als die spezialisierten Gruppen.

Und der Grund für die Streitigkeit zwischen den unterschiedlichen Gruppierung begründet sich eben aus deren unterschiedlicher Orientierung und Kenntnisstand. Dann stoßen einem beim anderen (oder auch auf Märkten) natürlich genau die Fehler in dem Bereich sauer auf, mit dem man sich selber beschäftigt, für den sich der andere jedoch nicht oder nur am Rande interessiert. Statt sich also konstruktiv auszutauschen (und die vorhandene Arbeitsteilung produktiv zu nutzen, sich zu vernetzen), tendiert man also eher dazu sich destruktiv gegenseitig mangelnde historische Genauigkeit im Aspekt X und Y vorzuwerfen. Nach dem Prinzip "Gleich und Gleich gesellt sich gern" bleiben dann die unterschiedlichen Gruppen (Reenactor, VKler, hist. Fechter etc.) unter sich.
Da würde ich mich wieder Cornelius anschließen:

Zitat von: Cornelius in Mai 22, 2013, 19:40:14 NACHMITTAGS
Dabei könnte man ja einfach akzeptieren, dass es alles verschiedene Ansätze mit ihrer jeweiligen Berechtigung sind und solange niemand zu Schaden kommt und einigermaßen geklärt ist, wer was macht und was (nicht) dazugehört, wäre das alles ein friedliches Miteinander.

Ich hoffe dieses Meinungsbild erscheint etwas differenzierter als es mein "Meme" weiter oben suggeriert hat.

Cornelius

Sieht leider nicht so aus, als ob Drakiem bei unserem lockeren Seminartag vorbeikommen wollte.  :-\

Drakiem

Jup ich werde nicht zum Seminartag vorbeikommen. Aber trotz allem bin ich einem gemütlichen Gespräch nicht abgeneigt, da man egal wie auch immer nur lernen kann :)

Und leider ist euer Termin schlecht da ist MPS und ich will wenigstens einmal in meinem Leben auf so ein Teil gehen um zu wissen was da abgeht oder auch nicht. Und die Bandauswahl mag ich schonmal.
Zudem würde ich euch gerne erstmal ausserhalb eines offiziellen Rahmen kennenlernen.

Grüße

Cornelius

So offiziell wäre das eh nicht geworden. Bisher gibt es eh kaum Interessenten aus den verschiedensten (Zeit-) Gründen; und wenn wir gerade deswegen einen neuen Termin finden, wird es eher noch offizieller. Das MPS geht in DD doch auch einen Tag früher und später ab.

Aus welcher fechterischen Ecke kommst du überhaupt?

Conscript

#25
Zitat von: Drakiem in Mai 26, 2013, 22:26:30 NACHMITTAGSUnd leider ist euer Termin schlecht da ist MPS und ich will wenigstens einmal in meinem Leben auf so ein Teil gehen um zu wissen was da abgeht oder auch nicht.

kurz semi-offtopic: Was ist der/die/das MPS? Megapferdestärken ???


Conscript

Danke lieber Alex!  :-*

Die Veranstaltung ist mir vom Hörensagen bekannt, aber mit der Abkürzung konnte ich nichts anfangen. Das Selbstbild des MPS ist übrigens ein schönes Beispiel für die von mir erwähnte ehrliche Form von Veranstaltungsbeschreibungen.

Zitat von: Conscript in Mai 23, 2013, 12:09:46 NACHMITTAGS
Was mich persönlich z.B. oft stört ist die Verquickung von "historisch" mit "mittelalterlich". Nicht alles was älter als die eigene Großmutter ist, stammt aus dem Mittelalter nur weil es das Label "alt" trägt und nicht umsonst gibt es jene, die ihre Märkte bewusst "historischen Markt" und nicht "Mittelaltermarkt" nennen, was oft eine ehrlichere Produktbeschreibung wäre.

"nicht authentisch sondern phantastisch" ist, wie ich finde, ein sehr gelungener Slogan.

Dominic

Stimme ich Dir zu :)

Leider ist's ja nun ins Wasser gefallen. Aber: Es gibt einen neuen Termin dieses Jahr: 08. - 11. August
Ich war letztes Jahr mit Antje dort und wenn man mit der Grundeinstellung "phantastisch" ran geht, dann ist das wirklich ein gelungener "Fantasy-Markt".

TAPFAR auf Weesenstein haben wir ebenfalls wahr genommen. Die scheinen wirklich langsam zum Inventar dort zu gehören. Die Demonstration beschränkte sich den Umständen entsprechend auf "geselliges Schwertbewegen", war aber nett anzuschauen und technisch sicher einwandfrei. Wir vom Schwertspiel e.V. würden uns auf so einem Markt sicher auch präsentieren können, so lang dies in entsprechender moderner Schutzkleidung möglich ist und vom Veranstalter so gewollt ist und kommuniziert wird. So viel Anspruch haben wir an uns und dabei möchten wir auch bleiben.
Es ist kein Narr, der Possen reißt und auch kein Narr, der Unsinn spricht. Der wahre Narr ist der, der meist, nur staunt und blinden Glaubens ist.
- Eichenschild