Dresden spielt!

Pen&Paper => Allgemeines => Thema gestartet von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 11:23:46 VORMITTAG

Titel: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 11:23:46 VORMITTAG
Hiermit erlaube ich mir mal, meinen aktuellen Blog-Artikel auch hier zu posten:

Wie kann es sein, dass die Fantasy/SF-Regale deutscher Buchhandlung überquellen von zweit- und drittklassigen Imitaten von Imitaten der Werke Tolkiens? Wo bleibt die Vielfalt, das Erstaunen, die Faszination des Fantasy-Genres, wenn Bücher Titel tragen wie „Die Elfen“, „Die Zwerge“, „Die Orks“ und damit unverhohlen die ausgetretenen Pfade der tolkienschen Fantasiegeschöpfe noch breiter treten als den Fladen einer Kuh aus dem Land der Wolkenriesen?

In gewisser Hinsicht ist dies ein Verdienst von (A)D&D, welches zahlreiche Tolkien-Geschöpfe übernahm und wiederum von späteren Systemen bernommen wurden. Danach kamen die rollenspielinspirierten PC-Spiele und die grandiosen Herr-der-Ringe-Verfilmungen. Nun weiß selbst jeder MMPORPG-ler, was er sich unter einem Ork oder einem Halbling vorzustellen hat, ohne jemals ein echtes Fantasy-Rollenspiel gespielt oder Meister Tolkien gelesen zu haben. Jedoch nicht einmal bei AD&D wurden die Standard-Rassen immer nur gemäß eines Klischees breitgewalzt. Denkt an die vielen AD&D-Settings, Drachenlanze etwa, wo Rassenvariationen wie der berüchtigte Kender und der verachtete Gossenzwerg ihren Auftritt haben. Noch extremer: Dark Sun, wo die bekannten Rassen anderer Welten nur als mutierte grausame Abkömmlinge mit psionischen Fähigkeiten existieren: menschenfressende Halblinge auf Bäumen, wüstendurchwandernde hochwüchsige Killerelfen, Mule â€" eine fortpflanzungsunfähige Züchtung aus Mensch und Zwerg, welche in den Arenen der Tyrannen das Volk bei Laune halten, außerdem die Gottesanbeterinn-ähnlichen Insektenwesen Thri-Kreen.

Dennoch: Ist es nicht traurig, dass Fantasy auf Tolkien und seine Imitatoren reduziert wird? Wo sind die Rollenspieler, welche sich in den finsteren Welten von Clark Ashton Smith, Jack Vance oder Tanith Lee bewegen? Für einige dieser elfen- und orkfreien, jedoch schaurig-schönen Welten gibt es bereits Settings, bzw. Spiele: Dying Earth RPG (Link s.u.), ein d20-Setting für Zothique (Link s.u.), welches auch als einem eigenständiges System angeboten werden soll. Zu Michael Moorcocks meistgelesenen Werken gibt es schon seit langem die Rollenspielsystem Elric (inzwischen d20) und Sturmbringer, die Idee der dämonischen mit eigenem Willen (und Charakterbogen) wurde speziell in Hyperborea (im französischen Original Bloodlust, aus der Feder des berüchtigten Spieleautors Croc) umgesetzt; auch zu Robert Erwin Howards Personnage Conan existiert ein gleichnamiges Spiel (auch als d20 glaube ich).
Nun aber zu Tanith Lee (s.u.), der vollendeten Erzählerin, der Göttin der Fantasy: Es ist mir kein System oder Setting bekannt, welches explizit Welten aus ihrer Feder umgesetzt hat. Exalted lehnt sich immerhin stark an ihrer apotheotischen Romane an (insbesonder „Im Herzen des Vulkans“); ein Exalted-Abenteuer ist sogar ganz offensichtlich ihrem literarischen Stil von Erotik gewidmet.
Nun, ihre sehr bekannten Romane von der Flachen Erde sind für taktisches Abenteuerrollenspiel wohl auch wenig geeignet, sind die Protagonisten doch nur Spielbälle der Neigungen und Gelüste unsterblicher Dämonenprinzen, und sind stets verdammt zu leiden unter diesem bösen SchErz. Doch denkt an den Anackire-Zyklus: menschliche Rassen (im rollenspielerischen Sinne gemeint; nicht als Bezeichnung für Völker mit lediglich kleinen Unterschieden im Gen-Pool wie auf unserer Welt) bevölkern eine Welt: die einen, albinohaft wenn reinblütig, beherrschen geheime telepathische Kräfte und können, durch priesterliche Ausbildung oder spirituelle Erweckungserlebnisse Kontakt zum kollektiven Unterbewusstsein im inneren der Erde, der „Göttin“, aufnehmen und gewaltige Kräfte entfesseln. Ihre Feinde, eine dunkelhäutige und brutale Rasse, deren sexuelle Aktivitäten stark von dem Erscheinen des roten Sternes Zastis abhängt, stammt, was längst in Vergessenheit geraten ist, von einer anderen Welt. Zahlreiche Mischvölker mit eigenen sonderbaren Charakteristiken machen die politische und gesellschaftliche Lage wechselhaft und unkalkulierbar. Zudem existiert wohl eine unbekannte Schicksalsmacht, welche die Abkömmlinge bestimmter Geschlechter stets als Gegner aufeinander treffen lässt; nur schwer können sich diese ihrer Bestimmung entziehen. Kurz: es ist eine exotische Welt voller Rätsel, religiösen Mysterien und Wellen der Gewalt â€" für eine Abenteuerrollenspieladaption äußerst geeignet wie auch für excellentes Erzählspiel.

Wir haben nun gesehen, es gibt bereits eine breite Auswahl nicht-Tolkien'scher Fantasy-Umsetzungen als Rollenspiel, und ich habe längst nicht alle aufgezählt, warum also beschwere ich mich? Weil kein Mensch sowas spielt. Einige Sammler haben diese Spiele im Regal stehen, manche haben diese Spiele vielleicht mal angetestet. Aber am Spieltisch schart man sich regelmäßig nur um DSA, D&D Standard-Welten, Midgard. Unkenntnis ist die Regel. Preisfrage: Sorgen nun die Rollenspiele für den Einheitsbrei in den Buchhandlungen oder ist die allgemeine Lesefaulheit der multimedial Überfluteten der Grund für die Einschränkungen im praktizierten Rollenspiel?

Hiermit fordere ich:
Gebt Euren Spielern nicht, was sie gewohnt sind, sondern was sie erst noch erforschen müssen. Gebt ihnen nicht, worin sie sich wohlfühlen, sondern was sie irritiert. Welten, Wesen, Kulturen, die anders sind, die Fantasie anregen, verzücken! Verzückung ist das Element, welches den Fantasy-Roman von dem historischen Roman abhebt. Einfühlen und mit den Personnagen mitfiebern kann man auch ohne Fantasy, aber als Leser / Spieler die Welt im Kopfe weiterweben, über die Grenzen des beschrieben und bekannten hinauszuschweben, das ist nun mal das Atout der Fantasy, und war es auch in der Tolkien’schen, bevor ihre Stereotypen etabliert wurden als definierte und bekannte Elemente der Popkultur.


Hyperlinks:

Zothique d20:
http://www.eldritchdark.com/files/articles/criticism/zothique-d20v1.pdf

Tanith Lee:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tanith_Lee

Freie Kurzregeln für Dying Earth (Abenteuer gibt es sort auch frei):
http://www.dyingearth.com/qsrules.htm
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Kampfbiber in April 03, 2007, 11:59:36 VORMITTAG
Ich betrachte den Post mal als Aufruf das Ganze zu kommentieren.

Dein Aufruf ist sicher berechtigt. Die Fantasy-Adaptionen folgen alle einem Schema, und es ist schade, wenn aus diesem nicht hin und wieder ausgebrochen wird. Ich gebe aber folgendes zu bedenken:

Tolkien ist nicht der Erfinder derjenigen Konzepte, die in der modernen Fantasy, zu Recht, mit ihm assoziiert werden! Wer sich ein wenig mit dem Silmarillion und Tolkiens Werdegang befasst stellt fest, dass Tolkien in weiten Teilen paraphrasiert, beziehungsweise neu erzählt. Die Quellen, aus denen er schöpft, sind die mythologischen Erzählungen der europäischen Völker. Durch seine Tätigkeit als Linguistikdozent kannte er sich sehr gut mit alten Mythen, den meist am besten überlieferten Quellen aus vorgeschichtlicher Zeit aus.

Elfen, Zwerge und Trolle sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sie sind Teil der skandinavischen und wohl auch der deutschen Folklore. Der Mythos von Numenor ist ganz offensichtlich vom griechischen Atlatnismythos inspiriert, siehe die Namensgebung für "die Gefallene" bei Tolkien: Atalante! Die verwendeten Motive sind allesamt durch Märchen und Geschichten bereits bekannt. Ich kenne mich nicht genug mit Jung aus, um zu sagen, ob es dabei ein kollektives Unterbewusstsein gibt, aber der Begriff schwebt mir in dem Zusammenhang vor.

Dementsprechend liegt die Antwort auf Deine Frage, warum es immer nur dasselbe gibt in deutschen Ladenregalen, in den Konsumenten begründet. Der durchschnittliche Rollenspieler, der ja auch nur ein Mensch ist, will im Spiel fantastisches erleben, er will über seinen Alltag hinausgehen, aber er fühlt sich am wohlsten in den Mythen, die ihm von Kindheit an vertraut sind. Unbekanntes ist für viele ein Reiz, dem sie ab und an gerne frönen, aber im Grunde befriedigt es den Durchschnittsspieler/Fantasykonsumenten eher, wenn Probleme die er in seinem Alltag erkennt in entfremdeter Form gelöst werden. Und dazu bedient man sich eben der Mythen, die jeder bereits kennt. Das Prinzip gilt wenn ich mich recht erinnere auch für die antike griechische Dichtung. Ein dem Publikum bekanntes Motiv aus der Mythologie dient dazu, die Probleme des Publikums aufzuarbeiten.

Ich hoffe, ich konnte meine Hypothese deutlich machen. Ich finde es trotzdem gut und richtig, die Leute auch mal mit der Nase darauf zu stossen, dass es noch viel viel Interessanteres jenseits der ausgetretenen Pfade gibt.  :-)
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Schwankus in April 03, 2007, 14:00:59 NACHMITTAGS
Auch Tolkien hat geklaut ! ;)

Es steht jedem frei, das System zu spielen, das er bevorzugt. Und genau da kommt der Haken: Warum ist die Bild-Zeitung Deutschlands meistgelesenes Wurstblatt ? Du begehst den Fehler, Ghoul, deine eigene Rollenspielphilosophie ins allgemeine zu projizieren. Natürlich ist man dann enttäuscht.

Das vorherrschende Prinzip ist meiner Meinung nach nunmal Durchschnitt, aus dem sich überall stärker ausgeprägte Extreme abspalten, die aber in ihrer Zahl nicht weiter ins Gewicht fallen. Wenn man aus all den Rollenspielern mit ihren Vorlieben etwas zieht, dann das, dass sich die Vorlieben in der Masse irgendwo in der Mitte drängen, und extremere Ansichten in den Randgebieten weniger stark vertreten sind. Ich stelle mir das Ganze in Form einer Glockenkurve vor... du tendierst etwas stärker zum linken Rand hin, ich beispielsweise etwas stärker zum rechten. Unsere Vorlieben überschneiden sich möglicherweise nur geringfügig. Und so ist es mit jedem einzelnen. Bekehrung oder Erziehung ist da sinnlos, weil es im Charakter des Spielers steckt.

Auch ist die Zahl derer, die fanatische (elitären?) Rollenspieler sind, eher gering, verglichen mit denen, die es mal zum Zeitvertreib zocken, aber genausogut baden gehen würden, oder den Computer durch das 87. Level von Lara Croft peitschen.

Letztlich liegts aber auch daran, dass Rollenspiel im großen Markt ein Nischenhobby ist, und darum keine große Firma bereit ist, große Mengen Geldes ins Marketing zu stecken, um das Produkt "Die 13 Wehrhamster und das weiße Kaninchen" für ein größeres Publikum bekannt und interessant zu machen. Und das finde ich gut so.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Lauriel in April 03, 2007, 14:14:27 NACHMITTAGS
interessantes thema  :-)

hier werden zwei verschiedene themen angesprochen, nämlich fantasyliteratur und fantasyrollenspielumsetzungen.
allzu viele verschiedene umsetzungen kenne ich zugegebenermaßen nicht, mir fehlt da einfach die zeit, mich mit allen auseinander zu setzen...

aber so im alllgemeinen:
ich seh das zwiespältig. einerseits bedaure ich auch, daß so viele romane nach dem gleichen schema funktionieren, und zwar nicht nur vom setting, sondern auch vom plot und von der protagonisten her. auf der anderen seite ist diese teilweise gleichschaltung natürliches nebenprodukt der entwicklung, daß fantasy derzeit sehr beliebt ist.
und der kunde frißt nunmal zu großen teilen nur, was er kennt, also bekommt er das. die standard-fantasy würde sich nicht so durchsetzen, wenn sich nicht genau das am besten verkaufen würde. es gibt immer kleine außergewöhnliche pflänzchen zwischen den großen titeln, aber diese sprechen oft nur wenige an. und für die meisten verlage ist das risiko eines ungewöhnlichen settings oder auch schreibstils zu groß, weil oft zu wenig davon verkauft wird.
teilweise finde ich es einfach gut, daß momentan fantasy im allgemeinen zuhauf erscheint, weil man mehr auswahl im laden hat - und man muß ja nicht alles kaufen  :wink: auf diese weise haben auch bücher, die ein kleines bißchen abseits des weges stehen, bessere chancen auf veröffentlichung als noch vor 10 jahren.

und was so die rollenspiele angeht...
ich spiel nur wenig fantasy-rollenspiele, eigentlich nur dsa, weil ich an cthulhu und vampire viel mehr spaß habe *g. aber die von gemüse-ghoul angesprochenen düsteren settings sind bestimmt nicht uninteressant, müssen aber auch nicht jedem gefallen. manche leute mögen es eben, zwerge und elfen zu spielen, weil sie gerne in vertrauten settings spielen und sich in aventurien o.ä. irgendwo zuhause fühlen.
was man davon halten mag, ist erstmal egal, aber ich finde, daß man spieler nicht dafür verurteilen sollte, wenn ihnen das so gefällt (was nicht heißt, daß man keine alternativen aufzeigen kann) und sie klassisches spielen wollen. es hat auch nicht jeder den nerv, sich in dutzende verschiedener systeme einzuarbeiten  :wink:

edit: gerade noch den gleichzeitig geschriebenen schwankus-post gelesen... geht ja ungefähr auch in die richtung, was ich dazu denke, ich stimm dem beitrag zu.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 18:05:49 NACHMITTAGS
@Kampfbiber: Tolkien hat nicht einfach nur Stereotypen aus Legenden übernommen, er hat sie ziemlich genial verarbeitet. Seine Weltschöpfung ist zweifelsfrei faszinierend und weiß den Leser zu verzücken. Gegen ihn schreibe ich nicht, aber gegen seine Nachahmer, die eben nicht verzücken, sondern einlullen in altgebackenem.

@Schwankus: So schwachsinnig argumentierst Du normalerweise aber nicht. Wahrscheinlich hast Du Dich an meinem Stil gestört. Es ist wie gesagt eine Kopie aus meinem Blog, wo ich aus bestimmten Gründen diesen Guru-Tonfall pflege, das muss man nicht zu ernst nehmen. Fantasy als künstlerisches Genre hat seine Existenzberechtigung nunmal durch die Möglichkeit der Verzückung, der Phantasie-Anregung. Nicht durch Verkaufszahlen. Aber eben dieses Massenkonsumverhalten ist Thema meines Artikels.

@Lauriel: Nein, in den Buchläden steht fast nur Masseneinheitsbrei, da hilft auch die Quantität nicht. Du musst schon Glück haben um dort die "Klassiker" von Tanith Lee oder Karl Edward Wagner zu finden.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Schwankus in April 03, 2007, 18:38:10 NACHMITTAGS
Nunja, als Kernaussage deines Beitrages habe ich herausgelesen, dass es dich stört, dass bessere Systeme sich gegen den Standart-Mainstream nicht durchsetzen können.

Eine alte Klage, die mir schon oft untergekommen ist.

Dabei habe ich dir versucht klarzumachen, dass "besser" im Auge des Betrachters liegt. Deine Auffassung, dass bestimmte Systeme/Werke besser sind, ist deine Einzelmeinung, und gilt nur für dich, muss ja nichteinmal stimmen (was mich manchmal ein Bisschen stört, ist, dass das Konzept des eigenen Irrtums bei der Aufstellung vieler Problemthesen fehlt). Die große Masse findet es offenbar einfacher, sich mit Stereotypen und Klischees hinzusetzen, und so zu spielen. Vielleicht weil so das Spiel einfacher ist, man nicht soviel Neues lernen muss, Vertrautes aufgreifen kann, eben weil man es von Tolkien her bereits kennt.

Und Ja, ich bin überzeugt, dass die große anonyme Masse der Rollenspieler sich in "Geschmacksfragen", auch mangels Interesse sich wirklich mit dem Thema Rollenspiel auseinanderzusetzen (Gelegenheitsspieler sind eine nicht zu unterschätzende Größe, ich denke der Anteil wirklich engagierter Rollenspieler ist im Gesamtspielerpool eher der kleinere), entsprechend um den Mainstream gruppiert. Nimmst du ein Diagramm dass die Anzahl der Rollenspieler auf die verschiedenen Systeme abbildet, meinetwegen Dreidimensional, kannst du Mainstream in die Mitte packen, und die unterschiedlichen Richtungen mit den Indies, und Spielsystemen die inhaltlich oder vom Setting Extreme bieten oder abweichen, platzieren. Das Ergebnis wäre eine kugelförmige Anhäufung in der Mitte, während die Randgebiete immer spärlicher besetzt sind von Spielern, eben ähnlich einer Glockenkurve. Da würdest du sicherlich eher in einer Randzone wiederzufinden sein, ebenso wie ich (vielleicht nicht sonderlich von der Mitte weggedriftet, weißt ja, ich bin Stimmungsspieler und hoffnungslos verloren ;)).

Zum Massenkonsumverhalten: Auch hier stellst du wieder den Anspruch des Niveaus. Aber den haben eher wenige, siehe mein Blöd-Zeitungs-Argument vorhin. Viele Leute haben gar kein Interesse beim Lesen von Fantasyliteratur nachdenken zu müssen, und es gibt doch auch viele, die den Herrn der Ringe nie gelesen haben weil sie das Buch nicht mochten, andere, die es nur gelesen haben weil es grade schick war.
Und auch sich eine völlig neue Welt auszudenken ist schwer, als Autor wie auch als Leser, der das verstehen muss, was der Autor will.

Ich finde selbst, dass es schwer ist, unter all den Büchern eines zu finden, das mehr als nur Hohlbeinscher Massenplotz ist, aber dass hochwertigere Literatur / Rollenspiele es oft schwer haben mit den Verkaufszahlen mancher Trivialliteraturpossen mitzuhalten beweist meiner Meinung nach beispielsweise, dass viele Leute sich beim Lesen nicht anstrengen wollen, und lieber das einfacher verdaulichere greifen.

Darüber zu lamentieren ist aber nutzlos.
Falls das vorhin nicht rüberkam liegt das evtl daran, dass ich mich nicht eloquent genug ausgedrückt habe. Wenn du das immernoch für ausgemachten Unsinn hälst, lass es dir Beweis sein, dass Meinungen (und Geschmack) von verschiedenen Leuten oft stark auseinandergehen. ;) Womit du letztlich auch eine Antwort bekommen hast.

So.

mfg Marc
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 19:01:14 NACHMITTAGS
Wir sind hier im Channel für "Rollenspiel \ Allgemeine Tipps". Ich gebe hier den Tipp an alle interessierten Leser, sich zu fragen, warum sie ein Fantasy-Rollenspiel leiten und wie und warum nicht anders. Meiner Meinung nach ist der Faszinationsgrad, die "Verzückung" eben besonders wichtig und oftmals vernachlässigt.
Du hast recht: Personnagendarstellungserzählrunden wie DSA verbreitet fallen dabei unter den Tisch. Das ist für mich eine andere Welt, da sind Hopfen und Malz verloren, ich spiele Role Playing Games.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Schwankus in April 03, 2007, 19:28:06 NACHMITTAGS
... und hast damit ein anderes Kapitel Rollenspiel aufgeschlagen vor dir liegen als manch anderer. ;)

Ich kann übrigends durchaus bei DSA verzückt werden.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Kampfbiber in April 04, 2007, 09:20:07 VORMITTAG
Zitat von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 18:05:49 NACHMITTAGS
@Kampfbiber: Tolkien hat nicht einfach nur Stereotypen aus Legenden übernommen, er hat sie ziemlich genial verarbeitet. Seine Weltschöpfung ist zweifelsfrei faszinierend und weiß den Leser zu verzücken. Gegen ihn schreibe ich nicht, aber gegen seine Nachahmer, die eben nicht verzücken, sondern einlullen in altgebackenem.
...
Ich wollte Tolkien in keiner Weise schmälern. Ich habe ja auch ausgedrückt, dass diese Stereotypen ihm zu Recht zugeschrieben werden. Nichtsdestotrotz hätte er es mit einer apokalyptischen Neuschöpfung und Wesen, unter denen sich niemand etwas vorstellen kann, vermutlich schwerer gehabt und hätte einen geringeren Massenwert als er nun hat. Ich denke die Wahl und die Balance, die Tolkien hier an den Tag legt, sind ein weiteres Zeichen seiner grossartigen Inspiration.

Ansonsten denke ich hat Schwankus irgendwo recht, dass Du Deinen Standpunkt automatisch als besser betrachtest, während jemand der eher konservative Fantasy konsumiert Deine Spiele und oder Romane als total wirr und nur für geistig Gestörte geeignet ansieht. Dies ist wohlgemerkt nicht meine Meinung! Ich gebe nur zu bedenken, dass Dein Massstab nicht von jedem als der Richtige gesehen werden muss.

Zitat von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 18:05:49 NACHMITTAGS
...
Fantasy als künstlerisches Genre hat seine Existenzberechtigung nunmal durch die Möglichkeit der Verzückung, der Phantasie-Anregung.
...
Ich wette hier gibt es bereits 70 Millionen Menschen in Deutschland, die eine andere Meinung haben.  :wink:
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 04, 2007, 10:04:03 VORMITTAG
@Biber
- Um eine Meinung über ein Buch / ein Genre zu haben, mus man es erstmal kennen.  :wink:
- Was würdest Du denn für weitere Kriterien aufstellen, um einen Fantasy-Roman nach künstlerischen Aspekten zu beurteilen? Das interessiert mich.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Kampfbiber in April 04, 2007, 10:59:49 VORMITTAG
Zitat von: gemüse-ghoul in April 04, 2007, 10:04:03 VORMITTAG
@Biber
- Um eine Meinung über ein Buch / ein Genre zu haben, mus man es erstmal kennen.  :wink:
Ich würde mir wünschen diese Weisheit wäre in die Medien, die Politik und die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland vorgedrungen.  :roll:  Du hast recht, sicherlich gibt es trotzdem einen ganzen Haufen kluger Blöd-Leser die glauben Fantasyfans wären alles verkappte Sodomisten (Elfen, spitze Ohren, Schäferhunde, hab da mal nen Artikel zu gelesen, der hoffentlich satirisch gemeint war...)
Zitat von: gemüse-ghoul in April 04, 2007, 10:04:03 VORMITTAG
- Was würdest Du denn für weitere Kriterien aufstellen, um einen Fantasy-Roman nach künstlerischen Aspekten zu beurteilen? Das interessiert mich.

Zum Beispiel könnte ich die Bearbeitung einer akuten gesellschaftlichen Problemstellung wie der Integration in einem Fantasyroman bearbeiten, was dann durchaus künstlerischen Wert haben kann. Das Setting hat dann den Sinn, den Leser nicht sofort die üblichen Reflexe anwerfen zu lassen, die bei einem realen Setting bestehen. Das Wort Muslim löst ja im Durchschnittsbayern vermutlich schon Schüttelkrämpfe aus.  :wink:

Oder es könnte einfach nur die Ästhetik einer fantastischen Welt faszinieren, die die Schönheit der Elfen und den rauen Charme der Zwerge ganz wundervoll poetisch als Motiv heranzieht.

Das ändert nichts daran, dass ich Dir Recht gebe in Deiner Kritik des Einheitsbreis wie er heutzutage verkauft wird. Vieles erinnert schon massiv an Groschenromane (die es auch zu einem etablierten Genre geschafft haben...).  :wink:
Ich bin nun auch kein Literaturwissenschaftler, man kann sicher noch viele weitere Erklärungsansätze der Faszination Fantasy finden, was ich mit mehr Zeit hier auch tun würde.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Lauriel in April 04, 2007, 11:21:40 VORMITTAG
Zitat von: gemüse-ghoul in April 03, 2007, 18:05:49 NACHMITTAGS
@Lauriel: Nein, in den Buchläden steht fast nur Masseneinheitsbrei, da hilft auch die Quantität nicht. Du musst schon Glück haben um dort die "Klassiker" von Tanith Lee oder Karl Edward Wagner zu finden.

kommt darauf an, was nun genau als masseneinheitsbrei definiert wird - will da jetzt keine lange diskussion beginnen, aber es gibt zwei mögliche ansätze: zum einen alles, wovon relativ viel abgesetzt wird, so daß es sich für große buchläden lohnt, es ins regal zu stellen (was sinnfrei wäre, weil es in die "uh, es ist kommerziell, es wurden mehr als 1000 exemplare verkauft, also ist es per se schlecht"-richtung geht), zum anderen enger gefaßt eben das, was hinsichtlich plot, aufbau, figuren etc. wirklich austauschbar ist (was es möglich macht, auch unter bestsellern schöne literatur zu finden) - und davon gibt es tatsächlich immer noch genug  :wink: ist aber wie gesagt normal, wann immer ein genre boomt.
(und weil es hier kurz um gütekriterien ging: ich finde ein buch z.b. qualitativ schlecht, wenn ich in stil und handlung keinerlei originalität feststellen kann und das ganze auch von irgendeinem anderen dieser autorenmasse geschrieben worden sein könnte, ohne daß man es bemerken würde; ich stelle da persönlichen stil auch über handlung, weiß aber, daß manch einer das anders sieht und das sei auch jedem gegönnt  :-) )
ich hatte z.b. viel spaß mit den beiden büchern von susanna clarke (jonathan strange & mr norrell war das erstere der beiden) und würde das auch nicht dem einheitsbrei zuordnen. ließ sich dennoch in fast allen buchläden finden.
wer etwas über den tellerrand guckt und spezielle wünsche hat, kann das auch finden, auch wenn man dafür möglicherweise nicht jeden buchladen zu rate ziehen kann. selbst diese können aber vieles bestellen. gute fantasy-bücher zu finden, erfordert vielleicht etwas mehr recherche, ist aber in zeiten von internet usw. wirklich nicht unmöglich.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 05, 2007, 16:05:22 NACHMITTAGS
Habe nun noch die fehlenden Links hinzugefügt.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Delagur in April 05, 2007, 17:54:29 NACHMITTAGS
Ich melde mich ebanfalls zu Wort.

Allgemein gesagt: Kampfbiber hat recht wenn er sagt, dass der Großteil an fantastischen Figuren (Elfen, Zwerge, Seeschlangen, Hexen etc. ) aus unser eigenen Mythologie stammt. Es ist naheliegend, dass ein Autor eine Geschichte schreibt, in der Wesen vorkommen die eigentlich jeder kennt, zu denen auch sehr viele Geschichten schon existieren. Sich etwas neues auszudenken, ist wesentlich schwerer. Ich will Tolkien und anderen Fantasy Autoren nicht Faulheit unterstellen. Hier bewegt man sich als Autor auf halbwegs sicheren Terrain. Solche, denen eine Neuschöpfung, sei es glaubhafte Figuren/Geschichte etc, gelingt, sind zu beneiden. ^^

Außerdem ist es eine Konsumfrage, das was alle wollen ins Regal zu stellen, oder das was nur wenige wollen. Die meisten entscheiden sich fürs erstere.

Was ich allgemein besse fände, wenn der ghoul mal einen Thread eröffnet, mit den verrücktesten RPG's die er kennt. Dann ham wir alle was davon.
Ich muss nämlich zugeben, dass mich einige dieser RPG's interessieren, ich aber eben nicht stunden damit verbringen möchte sie durchzuarbeiten.

greetz Dela
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Olaf Gunnarsson in April 07, 2007, 18:41:45 NACHMITTAGS
So, jetzt habe ich mich mal durch die langen Beiträge durchgekämpft.  :lol:

Also ich gehöre zu den Leuten die gerne mal was Neues ausprobieren aber dann doch meist beim Alten bleiben.
Neulich habe ich mal mit ein paar Kumpels ein Ein-Abend-Abenteuer Serenity gespielt. Die Spielwelt ist ein Sonnensystem, bei dem auf die innersten Planeten Wohlstand herrscht und auf den Äußersten absolute Armut, Gewalt und Verbrechen. Es war ein sehr witziger Abend und ich würde es auch gerne mal wieder spielen, muss aber auch nicht unbedingt sein (hat sich halt seither auch nicht mehr ergeben).

Wirklich was fehlen würde mir hingegen etwas ohne unsere beiden DSA-Runden. Das läuft und macht seit mittlerweile mehr als acht Jahren großen Spaß. Die DSA-Welt ist halt relativ stark an der von Tokien orientiert und da ich absoluter Fan von Tolkien bin, geht das auch ein wenig Hand in Hand bezüglich meiner favourisierten Vorstellung von Fantasy.

Fazit: Gerne mal was Neues, aber auf das Alte, Schöne und Gewohnte verzichten: Never!
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 10, 2007, 11:18:03 VORMITTAG
Zitat von: Delagur in April 05, 2007, 17:54:29 NACHMITTAGS
Was ich allgemein besse fände, wenn der ghoul mal einen Thread eröffnet, mit den verrücktesten RPG's die er kennt. Dann ham wir alle was davon.
Ich muss nämlich zugeben, dass mich einige dieser RPG's interessieren, ich aber eben nicht stunden damit verbringen möchte sie durchzuarbeiten.
Es gibt hier in diesem Forum den Channel "Systeme" (auch zu Serenity existiert ein Thread), außerdem finden zu Stammtisch halbregelmäßig Systemvorstellungen statt (nächsten Monat: Hyperborea). Spieltesten kann man auch völlig abstruse Systeme in Leipzig auf der Lindencon. Was willst Du noch?
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Delagur in April 10, 2007, 15:04:05 NACHMITTAGS
Ich komm nich zum Stammtisch, nicht zur Lindencon, und der Channel/das Board Systeme arbeite ich regelmaßig durch. ^^

Naja war halt ne Idee. Wenn du nicht willst dann nicht.  :-P :lol:

greetz Dela
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: gemüse-ghoul in April 10, 2007, 15:13:11 NACHMITTAGS
Naja, ich tue meinem Teil ja hier bereits und im Ghoultunnel.
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Delagur in April 10, 2007, 15:23:06 NACHMITTAGS
Wohl wahr. ^^

Übrigens: Sehr interessant was es noch so für Randgruppen RPG's gibt.

greetz Dela
Titel: Re: Worte eines Ghuls wider die Tolkien'sche Fantasy
Beitrag von: Tenebra in Mai 08, 2007, 22:38:33 NACHMITTAGS
Da sieht man mal, was bei rauskommt, wenn man sich mit dem Thema Fantasy auseinandersetzt. Als ob es eine Rolle spielen würde, ob und wer bei wem geklaut und/oder abgeschrieben hat. Es heiat Fantasy, daß heißt, das es UNSERE Phantasie ist und unser Vermögen etwas daraus zu machen. um ehrlich zuu sein verstehe ich unseren lieben Ghul nur bedingt. Was solls. Ich muß ihn auch nicht verstehen. :-D  Ich habe Phantasie, das reicht mir.

Sven